Projekte von Historiker Stefan Nies

Zeche Eimerweise. Kleinbergbau nach 1945

Dauerausstellung auf dem Gelände der Zeche Nachtigall

Auftraggeber: LWL-Industriemuseum Zeche Nachtigall, Witten
Eröffnung: 10. Mai 2003

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Dreibaumzeche Ingeborg II des Dortmunder Unternehmers Karl Hopp. Im südlichen Ruhrgebiet waren zwischen 1945 und 1976 über eintausend solcher und ähnlicher Klein- und Kleinstzechen oft nur für kurze Zeit in Betrieb. Über die sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Einordnung hinaus informiert die Ausstellung über den Zechenalltag und lässt ehemalige Bergleute und Zechenbetreiber von der harten Arbeit berichten. Eindrücke davon, wie es damals unter Tage gewesen sein könnte, vermittelt der Nachtigallstollen, in dessen Flözstrecke eine Abbausituation rekonstruiert ist.

Zeche Eimerweise Gelände

Der Nachbau der Kleinzeche Ingeborg auf dem Gelände der Zeche Nachtigall (Foto: LWL)

Leistungen*:

  • Wissenschaftliche Recherche
  • Zeitzeug*inneninterviews
  • Exponatrecherche und -dokumentation
  • Konzeption der rekonstruierten Betriebsanlagen
  • Ausstellungskonzeption und -drehbuch
  • Ausstellungstexte
  • Text für den Museumsführer

* Dudde und Nies Geschichtsagentur

Kleinzechen Betriebsbüro

Zeitzeugen am Telefon: Im nachgestellten Kleinzechen-Betriebsbüro kann man viel vom damaligen Bergbau-Alltag erfahren: (v.l.) Museumsleiter Michael Peters, Klaus Tischmann, Betriebsführer Nachtigallstollen, und Historiker Stefan Nies. (Foto: Jürgen Appelhans / Ruhr-Nachrichten Witten, 23. Juni 2006 ©)

Presseartikel zur Ausstellung „Zeche Eimerweise“

aus: Ruhr-Nachrichten Witten, 23. Juni 2006 ©

Zeitzeugen am Telefon

Von Lisa Timm

Bommern – Aus einer Zeit, als mit Kohle noch so richtig Geld verdient wurde, erzählt der nun komplette Ausstellungs-Trakt „Kleinzechen“ des Westfälischen Industriemuseums Zeche Nachtigall. Gestern war Eröffnung.

So gar nicht verstaubt, wie die Thematik vermuten lässt, stellt sich die Blütezeit der Kohleförderung kurz nach dem Kriege dar: Dank der lebendigen Aufarbeitung des Themas durch die Historiker Stefan Nies und Matthias Dudde sowie der professionellen und anschaulichen Präsentation der Exponate durch das Bielefelder Design-Büro Arndt und Seelig.

In einer nachempfundenen Betriebsbude, die früher multifunktional als Verwaltungs-, Umkleidegebäude, Waschkaue und Kantine genutzt wurde, ist anhand der Schaustücke nachzuerleben, wie die Kleinzechen nach dem Kriege boomten und unter welchen Bedingungen die Menschen dort arbeiteten.

Um das Museums-Material zusammen zu bekommen, haben die Historiker Stefan Nies und Matthias Dudde eine mehrjährige, intensive Spurensuche unternommen. Zum Glück noch rechtzeitig, da die Zahl der noch lebenden Zeitzeugen immer kleiner wird. Kleinunternehmer, die in den Nachkriegsjahren, als Deutschland noch am Boden lag, mit Kohle ihr Glück machen wollten. „Das ging eine Zeit lang richtig gut“, erinnert sich Klaus Tischmann, der heute als ehrenamtlicher Betriebsführer auf Zeche Nachtigall durch den Nachtigallenstollen führt. Der 69-Jährige kannte sie fast alle, die Kleinzechen im Umkreis. Denn als früherer Diplom-Bergingenieur arbeitete er für die Bergbau-Abteilung des Rheinisch-Westfälischen TÜV und war als Sachverständiger für die technische Überprüfung der Kleinzechen zuständig.

Die Namen der damaligen Zechen-Eigner stöberte das Historiker-Duo in Archiven auf, um dann auch durch Mund-zu-Mund-Überlieferung mit weiteren Kleinzechen-Baronen ins Gespräch zu kommen. Mitschnitten der Interviews können die Besucher des Industrie-Museums lauschen.

Fritz erzählt von früher

Und zwar vom Stuhl des Zechen-Eigners aus, wo sich am daneben stehenden Uralt-Telefon nach Drehen der Wählscheibe z.B. Kurt oder Fritz melden und von den früheren Bedingungen im Kleinbergwerk erzählen. Pfiffig aufbereitet wurde auch der Rest des Anschauungsmaterials in den Vitrinen, die wie überdimensionale Aktenordner den Raum in kleine Ausstellungsflächen unterteilen. Dort erfährt man auch, dass die Städte den kleinteiligen Kohleabbau überhaupt nicht gerne sahen, weil durch unverhältnismäßig viele Tagesbrüche ganz Wäldchen in Gefahr waren.

Und auch die Bedeutung des im Kriege gebräuchlichen Wortes „fringsen“ erfährt im Kleinzechen-Bereich des Museums eine Erklärung. In einer Ansprache erteilte der damalige Kardinal Frings quasi Absolution für den so genannten Mundraub, der auch den Kohlen-Klau während der bitterkalten Nachkriegswinter mit einschloss.

Veröffentlichungen zum Thema

Dudde, Matthias u. Stefan Nies: Zeche Eimerweise. Kleinzechen im südlichen Ruhrgebiet 1945-1976, in: Zeche Nachtigall. Museumsführer, hrsg. v. Ingrid Telsemeyer, Essen 2005, S. 140-177 ( = Kleine Reihe des Westfälischen Industriemuseums, Bd. 26)

Stefan Nies: „Es gilt, diesen letzten Wald zu retten“. Kleinzechen im Weitmarer Holz und städtische Umweltpolitik in den 1950er Jahren, in: Bochumer Zeitpunkte, Nr. 13, Juni 2003, S. 3-21

Stefan Nies: Mit dem Lastwagen in die Selbständigkeit, in: Industrie-Kultur. Denkmalpflege, Landschaft, Sozial-, Umwelt- und Technikgeschichte, Jg. 2002, Nr. 3, S. 36-37

Dudde, Matthias u. Stefan Nies: Von Helfern in der Not zu Kleinunternehmen. Kleinzechen im südlichen Ruhrgebiet nach 1945, in: Forum Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, Jg. 2000, Nr. 1, S. 95-99

Stefan Nies: Karl Ernst Schneider. Ein Kaufmann im Kleinbergbau, in: Wittener. Biografische Porträts, Bd. 1, hrsg. von Frank Ahland u. Matthias Dudde in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Witten, Witten 2000, S. 225-230

Dudde, Matthias u. Stefan Nies: Kleinzechen im südlichen Ruhrgebiet nach 1945, in: Industrie-Kultur. Denkmalpflege, Landschaft, Sozial-, Umwelt- und Technikgeschichte, Jg. 1999, Nr. 1, S. 37